Claus Kühnl
* 1957

"im horizont hätten fahnen zu stehen..."
Zyklus für Klavier mit Präparationen (1987)



Sehr persönliche Eindrücke eines halbjährigen Parisaufenthaltes im Jahr 1983 sind in diese Musik eingeflossen: die Klangfarbenkunst von Messiaen und Dutilleux, dem ich damals einige Male begegnet bin, zahllose Gespräche vorallem mit bildenden Künstlern aus aller Welt, eine noch jugendliche Liebe begleitet von einem Gefühl des Stolzes und des Triumphes, wie es in dem von mir ausgewählten Abschnitt eines Gedichtes von Armin Martinmüller zum Ausdruck kommt:

"erst geheilt
von deiner hand
befällt mich hoheit
im horizont
hätten fahnen zu stehen
beim kultlauf
zur mitte der welt."

Die im Zentrum des Klavierzyklus stehende "Hymne" ist die musikalische Entsprechung dieser Zeilen, gefolgt von einer "Orgie funkelnder Resonanzen".
Niemand außer Messiaen hat im 20. Jahrhundert eine Musik entfesselter Wonnen komponiert und ich war damals entschlossen, ihm in diesem Punkt zu folgen. Nach einer "Parenthese" mündet das Werk in den "Kultlauf", dessen kraftvolles A-Dur den eigentlichen Schlußpunkt setzt. Die "Nachschrift" entläßt den Hörer allmählich wieder in seine momentane Realität und schließt den Kreis zu den einleitenden Sätzen "Traum" und "Blick in den Horizont".

(2003)

(Claus Kühnl)